Hallo, Ich bin in der Diagnostikphase und vieles deutet auf (p)Dis hin. Was ich kaum glauben kann, aber die Symptome sind da. Ich war über 10 Jahre ohne Therapie, davor ca. 12 Jahre während des Studiums immer wieder in Kliniken und ambulant mit zahlreichen Diagnosen. Ich bin berufstätig, verheiratet und habe 2 kleine Kinder. Derzeit halte ich es schlecht zu Hause aus, möchte immer flüchten, denke teilweise, das sind gar nicht meine Kinder, bin völlig durcheinander und habe große Sorge, insbesondere die Kinder durch meine schwankenden Emotionen/ Anteile zumindest emotional zu verletzen. Mit meinem Mann kann ich nicht sprechen, da irgendwer in mir ihn ablehnt. Er merkt aber natürlich, dass es mir nicht gut geht und kümmert sich verstärkt um sie. Wie macht ihr das mit euren ( Außen-) Kindern?

Antworten von Betroffenen der dissoziativen Identitätsstruktur:

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 Hallo Carol,

meine Kinder sind jetzt beide Teenager, aber vielleicht ist meine Situation vor 10 Jahren ein wenig vergleichbar mit deiner:
Damals stand bei mir noch nicht die pDIS im Raum, aber kPTBS und weitere Diagnosen waren da. Ich war ein Nervenbündel aufgrund von permanenten Angstzuständen, was sich der Familie gegenüber dann auch in starken Stimmungsschwankungen ausdrückte (ich habe versucht die Angst nicht ins Außen durch zu lassen, aber irgendwann ging es halt auch nicht mehr) und kann von daher gut nachvollziehen, dass du dir Sorgen um die emotionale Entwicklung deiner Kinder machst. Und ich kenne das auch ganz gut, dass es mir oft nicht möglich war, ausreichend mit meinem Mann zu sprechen; letztlich war es oft nur das Notwendigste und das ist bis heute noch so. Ist nicht ideal, aber ich habe genug Stress in mir und für mich ist es einfach wichtig, mich selbst nicht zu irgendetwas zu zwingen...

Ich finde, das wichtigste ist, sich möglichst viel Entlastung zu schaffen: Ich war damals nur mit wenigen Stunden berufstätig, also habe ich die Zeit ohne Kinder (Kindergarten, Schule) für mich genutzt - hauptsächlich zum schlafen (die Angst hat mich so fertig gemacht) und habe versucht in der Zeit mit den Kinder so gut es ging zu funktionieren und da zu sein. Im Nachhinein denke ich, vielleicht wäre es besser gewesen, etwas weniger zu versuchen den Anschein von Normalität aufrecht zu erhalten und öfter mal - je nach Alter der Kinder - meine Bedürfnisse zu kommunizieren bzw. mich rausnehmen und damit dem steigenden Stresslevel rechtzeitig eine Grenze zu setzen, wobei das echt schwer ist. Ich arbeite immer noch dran. Ich finde, das ist schon ein Balanceakt, den unbedingten Willen, den Kindern gerecht zu werden und gleichzeitig auch sich selbst irgendwie (bzw. dem Innenleben, das mir damals aber gar nicht bewusst war).

Was mir damals geholfen hat bzw. mir noch hätte besser helfen können, wenn ich mehr davon gehabt hätte:
Möglichst viel Entlastung durch gute Bezugspersonen für die Kinder: Ehemann, Großeltern, andere Verwandtschaft, Freundschaften. Ich finde, in solchen Situationen passt der Satz, dass es ein ganzes Dorf braucht, um 'Kinder groß0 zu ziehen besonders gut. Im Nachhinein wünschte ich, ich hätte mehr gute Beziehungen für die Kinder gehabt, die etwas hätten kompensieren und ausgleichen können, weil ich als Mutter nicht so gut da war. Im Nachhinein denke ich, ich hätte mir mehr Hilfe holen sollen, vielleicht Leihoma, vielleicht eine Unterstützung vom Jugendamt, aus demselben Grund

Worauf ich sehr geachtet habe, aber es war letztlich auch überlebensnotwendig für mich: Viel für mich tun. Ich habe so den Eindruck, dass ich es bis hierher nur geschafft habe, weil ich ganz viel danach geschaut habe, was ich für mich tun kann, damit es mir besser geht. Also: viel Selbstfürsorge; Konzentration auf das, was Kraft gibt und weglassen, was Kraft nimmt (z.B. im Blick auf Beziehungen, berufliche Tätigkeiten, Hobbys, Sport usw.), aber auch, mich konsequent (na ja, mehr oder weniger, schaffe ich auch nicht immer...) rausnehmen, wenn innen was ganz drängendes ist.

Nochmal zum Ehemann: Ich finde, wenn es jetzt nicht geht, über dich zu sprechen, musst du das auch nicht; gleichzeitig ist er der Vater der Kinder und wenn es dir momentan so schlecht geht, dann ist er der erste, der das wissen sollte, damit er seiner Verantwortung als Vater gerecht werden kann. Ich habe das damals als sehr entlastend empfunden, dass mein Mann dann immer da war, wenn ich nicht da sein konnte.

Und aus der heutigen Perspektive: Die Anteile mit ins Boot holen, z.B. beruhigen oder um Geduld bitten. Also klar machen, wer jetzt dran ist. Außenkinder oder Innenkinder? Wer kann warten? Welche Bedürfnisse sind in dem Moment wichtiger zu erfüllen? Absprachen treffen, wann wer dran ist oder wann und sowas.

So, das war erstmal, was mir spontan zu dem Thema gekommen ist...

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DIe Sorge die eigenen Kinder irgendwo damit zu belasten kann ich verstehen.
Bevor ich ein Kind hatte, machte ich mir auch viele fürchterliche Gedanken, warum ich das gar nicht schaffen könnte (da wusste ich die Diagnose allerdings bereits).
Rückblickend kann ich sagen, dass all das katastrophisierende Denken (was ich brauche um möglichst nicht überrascht zu werden) nicht eingetreten ist und dass mir geholfen hat gewisse Verantwortung gezielt abzugeben (Hallo partner/Freund bitte teile mir mit, wenn ich mich schief gegenüber meines Kindes verhalte).
Es ist wichtig in Kommunikation mit dem Mann zu treten, denn nur so können Konflikte direkt ausgehebelt werden. Schaut mal ob ihr euch nicht sowas wie das Zwigespräch ansehen könntet. Mir hilft es bis heute immer sehr und auch meinem Mann.

Das Gefühl "Das ist nicht mein Kind" kenne ich leider auch, ich weiß mittlerweile auch woher das kommt und warum nicht alle Anteile in mir eine verbindung zum Kind haben können. Nachdem ich das begriffen habe, ist vieles einfacher geworden. Therapie und Austausch mit Betroffenen hilft da ungemein.
Ich würde dir raten tief durchzuatmen, auch auf dich zu vertrauen, dass du dein bestes Geben wirst weiterhin für deine Kids. Vertrau auf dein Nervensystem (egal mit welcher Diagnose). Du reflektierst dich und dein verhalten, damit ist schon sehr sehr viel geschafft und damit machst du sicher vieles besser als das was du erlernt hast als Kind.

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Ich denke, dass es für die Kinder wichtig ist ein stabiles Umfeld und mehrere Bezugspersonen zu haben, die eventuelle Schwierigkeiten, die ihr habt, ausgleichen können. Da wir mit unserem Sohn alleine waren, war für mich der Kindergarten sehr wichtig. Dort war er in Strukturen eingebettet, die ich ihm damals zu Hause nicht geben konnte. Da du bereits in der Diagnosenstellung bist und dein Verhalten reflektierst wird sich deine Situation auch verändern und du wirst einen Weg finden mit der "neuen" Situation umzugehen. Unser Sohn ist heute 13 und ich bin jetzt eine gänzlich andere Mutter als ich es zu Beginn war, einfach weil sich meine Lebenssituation und die Innenkommunikation sehr verändert haben. Es ist sicher am wichtigsten auf dich zu achten und an dir zu arbeiten, davon profitieren deine Kinder am meisten. Liebevolle Zuwendung war hier nie ein Problem, aber das Gefühl, dass es nicht das eigene Kind ist kennen hier auch viele. Ich denke, das ist kein Problem, solange sich trotzdem alle so kümmern, als wäre es das eigene. Auch wenn ihm nicht alle vertrauen ist euer Mann eine wichtige Stütze und sollte jedenfalls wissen, wie es euch gerade geht. Mir hat mal der Hinweis einer Therapeutin geholfen, die meinte "Sie müssen keine perfekte Mutter, nur eine Gut-genug-Mutter sein". Das hat uns etwas entlastet. Therapeutische Hilfe würde ich dir jedenfalls ans Herz legen, falls sie durch die Diagnostik nicht ohnehin schon besteht.
Alles Liebe

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@carol, da du keine E-Mail-Adresse angegeben hast kurze Info hier:
Deine zweite Nachricht ist kein Zusatz zu deiner obrigen Frage, vielleicht macht es Sinn bei gesicherter Diagnose für weiteren Austausch auf einen Platz im Forum zu warten oder dann direkt in den Chat für Betroffene zu gehen.
Ansonsten eine neue Fragestellung senden. Alles gute dir!

weitere Antworten folgen!

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