Ursachen
Die Ursachen der dissoziativen Identitätsstörung
Zuerst sollten wir klären was ein Trauma allgemein ist, denn dies sind Auslöser und Überlebenstechniken der Psyche:
Trauma bedeutet ganz allgemein gesagt: Verletzung oder Schädigung durch äußere Gewalteinwirkung (an sich selbst oder beobachtet).
In der Psychologie und mit Bezug auf die dissoziative Identitätsstörung im Bezug auf Psychotrauma bedeutet es, dass ein starkes Diskrepanz Erlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und deren individuellen Bewältigungsmethoden (welche besonders als Kind nicht in der Art ausgeprägt sind wie im Erwachsenenalter) mit tiefem Angst- und Verlassenheitseinsamkeits-Erlebnis einhergeht.
Besonders eine völlige Hilflosigkeit, die Unmöglichkeit zu irgendeiner Vertrauensperson gehen zu können, sich an jemanden wenden zu können, begünstigt die Entstehung einer dissoziativen Identitätsstörung und einer daraus resultierenden multiplen Persönlichkeit.
Nehmen wir ein Beispiel:
Tina ist 4 Jahre alt, als sie das erste Mal ihren Bruder neben sich im Bett liegen sieht, als er sie berührt.
Sie hat noch nicht alle kognitiven (Kognitiv) Fähigkeiten um die Situation so zu bewerten, dass der Bruder dort etwas Falsches und schlechtes tut.
Der Bruder kommt jede Nacht zu ihr und flüstert ständig ins Ohr, das davon niemand was wissen darf, da sonst dem Papi was passiert.
Tina spürt, dass das nicht richtig sich anfühlt, aber die Diskrepanz, dass der Bruder sonst immer lieb ist und nur abends im Bett so wird, ist fast unerträglich.
Zusätzlich zu diesem wiederholendem Trauma besteht keine Möglichkeit die Eltern irgendwie zu informieren, weil sie "solche Lügengeschichten" nicht hören möchten, sich nicht für das Anliegen des Kindes interessieren oder selbst völlig involviert sind (und sogar den Bruder zusätzlich sexueller / psychischer Gewalt aussetzen).
Somit hat die kleine Tina nicht viele gesunde und möglichst wenig-hervorrufende-Symptom- Chancen sich aus der Situation zu ziehen.
Einerseits könnte sich daraus eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung des Borderline Typs entwickeln (Bruder mal schwarz mal weiß, mal gut mal böse, Nuancen fehlen) um die Diskrepanz zwischen Gut und Böse mit einer Brücke zu schlagen, das Kind lernt sich in eine Traumwelt einzuleben, woraus schwere Psychosen entstehen können, die Psyche zerbricht völlig (lebensbedrohlich) oder Tina nutzt ihre innere kreative Fähigkeit ihre Ego-States, bzw. sich selber abzuspalten.
Eine Abspaltung entsteht dann, wenn keine andere Möglichkeit vorhanden ist aus der Situation zu kommen (oder durch bewusste Mind Controll / Programmierung).
Dies muss nicht zwangsläufig bei sexualisiert Gewalt des Kindes entstehen, sondern kann bei aller Art von schweren Traumata (Krieg, anhaltende Katastrophensituationen, mitansehen eines Mordes bei naher Familie etc.) als Ressource genutzt werden.
Laut Jochen Peichl hat jeder Mensch die Möglichkeit multipel zu werden in solchen Situationen, ich persönlich bin aber der Meinung, das eine Art der kreativen Veranlagung mit Situationen umzugehen vorhanden sein muss und nicht von Klein an als Instinkt mitgegeben wird. Sonst gäbe es vermutlich sehr viel mehr Betroffene mit diesem Überlebensmechanismus. Nicht jeder Mensch reagiert gleich.
Persönlich ist mir kein Fall bekannt, indem sich eine dissoziative Identitätsstörung als Überlebensmechanismus entwickelt hat, ohne sexueller / psychischer / physischer Gewalteinwirkung innerhalb der ersten Lebensjahre, bzw. Erfahrung eines schweren Verlust oder schwere Vernachlässigung.
Hierbei muss ich unbedingt darauf hinweisen, dass das persönliche Erleben einer Situation völlig unterschiedlich von der Psyche des Kindes aufgenommen werden kann.
Einfaches Beispiel für unterschiedliche subjektive Interpretation auf ein Ereignis beim Menschen:
Man schneidet sich in den Finger und es kommt etwas Blut aus der Wunde. Nun gibt es Menschen die sich denken "Oh, aua, schnell ein Pflaster", andere rennen schnell zum nächsten Arzt aus unterschiedlichsten Gründen und wieder andere reagieren mit Ohnmacht.
-> Die Situation ist bei allen die Gleiche, der Umgang komplett und wertfrei (!) unterschiedlich.
Um komplizierte Informationen / Erfahrungen der Umwelt und mit sich selbst aufzunehmen und in die eigene Persönlichkeitsentwicklung zu integrieren müssen Kinder Urvertrauen in sich tragen und ein wohlgesonnenes Umfeld erleben. Wenn jedoch in dieser Zeit der Entwicklung (daher auch oftmals die Verknüpfung innerhalb der ersten ~5 Lebensjahre) die Bezugspersonen sich schwer schädigend verhalten (sexuelle / psychische Gewalt, Vernachlässigung, ständiges alleine sein etc.) wird die gesunde Entwicklung der Persönlichkeit anhaltend gestört. Je länger dieser bedrohliche Zustand anhält, desto gravierender können die Auswirkungen sein.
Ganz so einfach ist es leider nicht zu Verallgemeinern, denn wie ein Kind eine Situation wahrnimmt kann von objektiv von außen nicht korrekt beurteilt werden (man denke an das Finger-Beispiel). Was ein Mensch als traumatisch erlebt, kann ein anderer Mensch teilweise nicht beurteilen, da es subjektiv bleibt.
Linehme