Der Begriff "polyfragmentierte dissoziative Identitätsstörung" beschreibt das Ende des Dissoziations-Kontinuum [1], ist meines Wissens nicht wissenschaftlich erwiesen worden, dient als Arbeits-Hypothese und soll den Grad der Fragmentierung darstellen:

(Kontinuum nach Ross 1989 & Braun 1988)

 

(Vereinfachte Darstellung Linehme 2014)

Der Grad der Fragmentierung sagt nichts über den Kummer und das Leid aus, sondern soll eine Einschätzung geben, mit welcher Art der Komplexität man konfrontiert ist.

Er bedeutet nicht "mehr" oder "weniger" Leiden & Kummer, sondern ist ggf. innerhalb der Therapie und des persönlichen Heilungsweges relevant, denn das was Betroffenen mit einer partiellen dissoziativen Identitätsstörung hilft, kann für Betroffene der polyfragmentierten dissoziativen Identitätsstörung weniger hilfreiche Wirkung erzielen.
Entsprechend geht es darum, dass die Methoden an den Grad der Fragmentierung / der strukturellen Dissoziation angepasst werden (sofern überhaupt bekannt), um Werkzeuge zu finden, andere Methoden der Unterstützung zu erfahren.

 

Ross & Braun [2] teilen die dissoziative Identitätsstörung in drei verschiedene Bereiche auf:


(vereinfachte Darstellung Linehme 2014)

 Bei einer polyfragmentierten dissoziativen Identitätsstörung sprechen wir also von über 20 ANP´s (siehe: Strukturelle Dissoziation), die anhaltend in der Exekutive sind und durch starke dissoziative Barrieren (mit mehr oder weniger Co-Bewusstsein / Kommunikationswegen) teilweise in ganzen Clustern getrennt sind und innerhalb derer (inter-)agieren.

Da wir hier von einer Arbeits-Hypothese sprechen, kann man nicht klar formulieren, wer wann unter welchen "Grössenordnungen" wie zu einem polyfragmentierten System "zählt" oder nicht.

Die Antwort selbst, wo man sich auf dem Grad der Fragmentierung bewegt, kann der Betroffene bspw. mit Unterstützung des Therapeuten erfahren, sofern der versierte Therapeut genügend Erfahrung mit ähnlich strukturierten Systemen hat.

 

Persönliche (!) Erfahrungen, die ich auf dem Weg der Unterstützung von Betroffenen mit str. Dissoziation mit dem Kontext "Polyfragmentierung" mitgenommen habe:

Betroffene die ich oder sie sich selbst als polyfragmentiert wahrnehmen / wahrgenommen habe, kenne ich nur mit dem Hintergrund destruktiver Kulte / ritualisierter sexualisierter Gewalt.
In allen Fällen sind es intendierte Systeme (siehe Typen / Kategorien der strukturellen Dissoziation) und haben nebeneinanderstehende Cluster oder Sub-Systeme, die ziel- und ergebnisorientiert teilweise hoch-autark funktionieren.

In der Behandlung von intendierten Systemen mit dem Zusatz der Polyfragmentierung braucht es für die Therapie, sowie Ausstiegsbegleitung teilweise andere therapeutische Werkzeuge, um zu einem heileren Leben zu kommen.

Oftmals ist der "Status Quo", bereits ein grosser Therapie-Erfolg, was nicht bedeutet, dass dieser sich nicht ständig verändern kann. Für viele Betroffene der Poly-DIS ist der Austausch - sofern verdeckt realisierbar - besonders hilfreich, um sich unterschiedlichen Clustern anzunähern und diese im therapeutischen Setting zu beleuchten. Gerade bei Polyfragmentierten habe ich häufig erfahren, dass Drogen im (Klein-)Kindalter mit verwendet wurden, um den Mensch zu einem intendierten System zu "strukturieren".

Es scheint unterschiedliche manchmal ähnliche Konstrukte im Systemaufbau zu geben, die bspw. als Gitter-Netzwerk/-System oder Maschen- /Knotensystem beschrieben werden.
In vielen Fällen gibt es eine besondere Art von Beobachter-Anteile(n), die bis zu einem gewissen Grad eine Übersicht über das (Sub-)System, mind. einen Cluster haben oder zumindest über die Existenz anderer Cluster wissen.

Linehme

[1] Braun, 1988a/b; Ross, 1989; Braude 1991

[2] Ross 1989; Braun 1988

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