Antworten von Betroffenen der dissoziativen Identitätsstruktur:
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Hallo Madita,
das ist bei uns genau so. Unser Erleben ist, dass das System im Alltag so aufgestellt ist, dass alles irgendwie funktioniert. Bestimmte Anteile haben verschiedene Aufgaben und bei uns ist alles so angelegt, dass es auf gar keinen Fall nach Außen sichtbar wird, dass wir Viele sind. Das hat unser Leben lang schon so funktioniert, sodass wir auch erst sehr spät erfahren haben, dass wir uns einen Körper teilen und dass das nicht bei jedem Menschen so ist. Durch Therapie und einer vertrauensvollen Beziehung haben sich dann irgendwann welche getraut sich dem Therpeuten zu zeigen (da wussten wir immer noch nichts von den verschiedenen Anteilen). Und noch immer ist es bei uns so, dass der Alltag - gerade in Therapiepausen wieder so strukturiert wird, dass wir selbst machmal gar nichts von den anderen mitbekommen - denn sie sind ein eingespieltes Team, welches uns das Überleben gesichert hat. Und doch sind sie da.
Manchmal erleben wir das als Erleichterung, dass eben immer noch alles halbwegs funktioniert, aber inzwischen ist es so (nach vielen Jahren Therapie), dass wir ja nun voneinander wissen und dass wir dann ganz bewußt Zeit für verschiedene Anteile einrichten. Denn inzwischen ist es so, dass sie sich nicht mehr so einfach "wegdrücken" lassen... sie haben angefangen, sich in der Therapie zu zeigen und wollen auch weiterhin versorgt werden. Wenn wir also vermeiden wollen, dass sie "ungefragt" aufploppen, dann müssen wir uns ihnen widmen. Das sind nicht die großen Aktionen, sondern manchmal nur ein vorsichtiges Hineinsprechen ins Innen: "wir wissen, dass Du da bist, wir kümmern uns...".
Und ja, dieses "ich spinne mir da was zusammen" - kommt auch bei uns auch immer wieder. Wir wünschen Dir gute Akzeptanz und ein wohlwollendes Miteinander.
Liebe Grüße
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Hi, eine kurze erste Antwort.
Deine Frage habe ich mir anfangs auch gestellt. Ich konnte die Anteile auch erstmals in der Therapie überhaupt wahrnehmen, benennen und erforschen.
Ich möchte dir eine Frage zurück stellen. Wie sieht dein Alltag aus? Hochfunktional, immer was zu tun, Arbeit, Familie, viel unter Menschen, wo du dich gut anpasst?
Ich habe die unterschiedlichen Anteile im Alltag trotz erster Verdachtsdiagnosen jahrelang innerlich ignoriert, weil ich in meinem beruflichen Alltag auf 200 % funktionierte und da kein Raum für Selbstwahrnehmung war. Ich bin immer wieder ins Burnout gekommen, an WE ging es mir fast immer sehr schlecht und da könnte ich dann nur im Bett liegen und alles innen und außen dicht machen.
Ich wusste, dass ich sehr unterschiedlich war, sehr facettenreich, aber vor allem funktional und die Diagnosen habe ich abgespalten.
Erst nach meinem letzten Zusammenbruch ist die innere Anteilswelt so laut, dass die "Flucht" ins Funktionieren deutlich schlechter geht. Ich erlebe seit Jahren nun eine starke Zerrissenheit in gegensätzliche Impulse, die sich nicht mehr so einfach ausblenden lässt. Seitdem zweifle ich weniger.
Die Anteile sind im Kontakt mit anderen deutlich schwieriger zu händeln und dadurch lauter, aber ich nehme sie inzwischen auch meist allein wahr.
Der Zweifel an der Diagnose gehört zu den Symptomen, wie es so schön heißt.
Du bildest dir aber nichts ein, nur weil es in der Therapie mit mehr Fokus sichtbar (und sicher auch anstrengender) ist und in deinem Alltag vielleicht eher überdeckt.
Betroffene von DIS sind nicht selten Meister der Anpassung und Tarnung, oft und leider auch vor sich selbst.
Wenn du die gesicherte Diagnose hast, setze dich mit deiner Innenwelt auseinander und glaube dem, was da ist. Sonst wird es lauter.Bild
Automatisch hinzugefügt nach 19 Minuten 46 Sekunden
BildUnd noch was: vielleicht hast du irgendwo gelesen, dass Kritiker behaupten, die Dis sei von Therapeuten eingeredet. Solche Aussagen tauchen in den letzten Jahren weniger auf, sind aber in der älteren Literatur tatsächlich zu finden. Und das macht natürlich viel Unsicherheit. Aber vor allem zeigen solche Äußerungen, dass die Schreiber meist wenig Erfahrung mit Betroffenen hatten und sich daher zu solchen herablassenden und ja damit auch das Leid der Betroffenen ignorierenden Aussagen hinreißen ließen.
Meine Anteile sind echt, das weiß ich inzwischen.
Es gab in der Therapie nur mal Versuche, Helferanteile darzustellen und im System aufzuspüren, und wir haben dann versucht mit denen imaginiert zu arbeiten, das ist aber bei mir schief gelaufen. Diese Anteile wurden als von außen und nicht echt wahrgenommen und sind wieder rausgeflogen
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In Therapiepausen kann es passieren, dass die dissoziativen Barrieren wieder stärker werden und man bekommt folglich weniger von den anderen mit. Man verfällt quasi in eine Art Funktionsmodus (weiß nicht ob das wissenschaftlich korrekt ist, wir nennen das eben so). Dass man da an der Diagnose zu zweifeln beginnt ist normal, man erlebt sich dann ja auch nicht mehr unbedingt als "Viele".
Das war bei uns früher auch so, aber das hat sich mit der Zeit sehr verändert, der Funktionsmodus hat abgenommen. Der Vorteil daran ist, dass man auch in Therapiepausen mit den anderen in Kontakt steht, der Nachteil daran ist, dass man eben mit den anderen klarkommen muss, auch wenn es keine Unterstützung von außen gibt (streng genommen, musste man früher ja auch mit den anderen klarkommen, man bekam Wechsel nur wegen den Amnesien nicht so deutlich mit). Heute haben Therapiepausen für uns, soweit ich das beurteilen kann, keinen Einfluss mehr darauf ob wir einander wahrnehmen oder nicht.
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War bei uns auch ganz lange so. Genau, wie es zuvor auch schon beschrieben wurde, bis hin eben zu dem Punkt, dass man schon sehr ins Zweifeln kommt. Inzwischen, nach einigen Therapie-Jahren, versuchen wir jeden Tag irgendwie so ein bißchen in Kooperation zu verbringen, weil wir merken, dass uns das gut tut. Inzwischen geht das auch, weil wir uns in der Therapie viel besser kennengelernt haben, und ausgetauscht haben, und das innere Erleben einiges an Schrecken verloren hat. Das ist aber noch nicht so lange so. Da liegt einiges an Zeit dazwischen.
Meine Theorie / mein Empfinden: Davor wäre das "zu gefährlich" für den Funktionsmodus gewesen, sich weiterhin, ohne therapeutische Untestützung mit den Anteilen näher zu beschäftigen.
Also da erscheint es mir nur logisch, dass halt bevor wir relativ gut im Austausch waren, in Therapie Pausen lieber wieder auf den Funktionsmodus zurück gegriffen haben.
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Hi, Es kann ganz viele Gründe für ähnliche Symptome und Probleme haben. Ohne das es eine DIS oder eine pDis ist. Es gibt es in vielen Bereichen das sympthome sich Ähneln und es daher Kompetente Fachleute braucht die eine Diagnose stellen können. Wenn du einen Fachperson hast, könnte ihr gemeinsam schauen was der Grund für deine Probleme ist und wie man dir dabei am besten helfen und dich Unterstützen kann.
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Oh ja, bei uns ganz genauso. Mit ein Grund, warum wir echt nicht ohne Therapie "können", jedenfalls noch nicht, weil ohne funktioniert es hier nicht gut, weil wir dann ganz schnell wieder in den Funktionsmodus rutschen, und das will zumindest ich nicht mehr. Und ich denk ein paar andere auch nicht. Trotzdem sind wir noch zu gefangen in unseren "Strukturen", das passiert irgendwie ganz automatisch, dass wir dann wieder zu "funktionieren" anfangen, weil es einfach soooo lange so war/sein musste.
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Weitere Antworten folgen, wenn es neue gibt :-)