Ich habe eine Frage an Menschen mit DIS, die die Serie "Lie to me" gesehen haben. In der ersten Folge der zweiten Staffel (die Folge heißt "Gespalten"), geht es um eine junge Frau mit DIS. Mich würde interessieren, inwieweit das in dieser Folge dargestellte Bild von einem Leben mit DIS der Realität entspricht / entsprechen kann. Welche Aspekte sind wirklich so, welche waren ungenau recherchiert bzw. schlichtweg ausgedacht? Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen. Vielen Dank!

 

Antworten von Betroffenen der dissoziativen Identitätsstruktur:

 

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 Hi Elena, da ist natürlich viel unterhaltsam und wenig realistisch dargestellt, klar das ist ja auch eine Serie für die große Breite als Zielgruppe.
Trisha wird mit Hypnose dazu aufgefordert das gemeinsame Unterbewusstsein "anzusprechen". Hab mir die Folge nochmal angesehen:

Ich weiß nicht ob Betroffene mit diagnostizierter DIS generell "einfacher" zu hypnotisieren sind, aufgrund der früh angelegten Dissoziations-Zustände, ich glaub darüber hab ich mal was gelesen. Gerade aber auch bei Betroffenen wo die DIS sich über org. Gewalt im Hintergrund bilden musste, ist das denke ich ein sehr gefährliches Spiel was in der Folge gemacht wird. Mich gruselt das eher.
Bei einem Wechsel weiß ich von uns, dass zum Beispiel (!) ein tiefes Atmen oder Augenzittern usw. als Merkmal besteht, ob das bei anderen auch so ist, weiß ich natürlich nicht, das kann man ja nicht pauschal sagen.

Das gute übereinander "Bescheid wissen" kenne ich so nicht, wie es in der Folge dargestellt wird, aber auch hier gibts Unterschiede.
Die Panik die Trisha nach dem "Aufwachen" aus der Hypnose krigt, das kenne ich ähnlich von mir. Plötzlich ist man irgendwo und hat überhaupt keinen Dunst was gerade abgeht, alles ist fremd, der Ort, die Umgebung, die Menschen und das macht panische Angst. Würde also sagen, das ist durchaus realistisch dargestellt.

Was ich auch von mir kenne ist die Aussage: "Die [anderen in mir]stehlen mein Leben", jedoch nicht das "ich bin die echte Person", denn das gibts so bei uns nicht, einerseits weils "die echte Person" nicht gibt, andererseits weil da mehrere das denken.
So im Gesamten würde ich sagen: Hier und da ist ein wenig Realität dabei, wie es bei manchen Betroffenen sein könnte, gesamt aber: Das ist eine typische Unterhaltungsindustrie-Folge über Betroffene einer schweren Traumafolgestörung, was wie so oft als Faszination abgebildet wird, weniger aber die Realität widerspiegelt...

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Hallo Elena,

mich hat das auch interessiert und ich hab die Folge nochmal angesehen (ich hatte sie schon irgendwann mal gesehen).
Grundsätzlich war ich ehrlich gesagt überrascht, weil sie gar nicht soo extrem weit von der Realität weg war, wie ich eigentlich erwartet hätte *:). Es ist so, dass ich jetzt einfach den Film mit uns aus meiner Sicht vergleiche. Wie das bei anderen Menschen mit Dis ist weiß ich nicht, das kann sicher sehr unterschiedlich sein.

Der Flashback am Anfang ist aus unserer Sicht sehr realistisch, das kennen wir so auch. Auch, dass es total absurd wirkt, man spürt, dass es irgendwie wahr ist, aber der Verstand oder die Erinnerung nicht mitspielt und man im Außen keine Anhaltspunkte findet.
Das erste, was mich irritiert hat war, dass Trisha einfach so von den Bildern in ihrem Kopf erzählt. Das könnte bei uns nicht mal ich und ich bin grundsätzlich nie von irgendwelchen Traumainhalten betroffen. Ich würde es wahrscheinlich auch nicht tun, wenn ich es könnte. Dieser offene Umgang mit Traumainhalten ist meinem Erlebnis nach unrealistisch. Auch, wenn ich persönlich nicht betroffen bin merke ich, wenn es anderen damit schlecht geht oder sie das für sich behalten wollen. Außerdem ist es für uns generell immer peinlich zu offenbaren, dass wir "komische Dinge sehen". Der Schamaspekt fehlt im Film komplett. Ich bin noch nicht so lange in unserem System, deshalb weiß ich nicht wie das früher war, als wir uns noch gar nicht kannten, aber grundsätzlich ist uns allen bewusst, dass wir im Außen für alles verantwortlich sind, was wir tun. Auch wenn wir unterschiedlich sind ist es nicht so, dass einer bösartig ist und jemanden umbringen würde, während die anderen das nicht mitbekommen.

Die Wechsel im Film mit dem tiefen Einatmen und Augen schließen kennen wir auch, allerdings haben wir das nur in der Therapie, wenn es um Traumainhalte geht oder sich jemand nach vorne drängt. Im Alltag wechseln wir normalerweise unmerklich.

Unsere Schriften sind auch unterschiedlich, aber soweit ich weiß, ist das nicht bei allen Menschen mit Dis so.

Die Offenheit und das Vertrauen, das Trisha der Lightman Group entgegenbringt ist für den Film zwar super, aber nicht sehr realistisch. Hypnose finde ich immer ziemlich gruselig. Keiner von uns würde sich jemals freiwillig hypnotisieren lassen, das wäre so ziemlich unser Albtraum.

Am wenigsten stimmig war für uns AJ der Beschützer, der gleichzeitig aber Träger des Traumamaterials sein soll. Das ist für uns ein Widerspruch in sich. Unserem Verständnis nach gibt es traumatisierte Anteile und eben Beschützer. Kann schon sein, dass die Traumainhalte gesehen haben aber bei uns ist es eben so, dass die nicht so sehr berührbar bzw. in unserem Fall gar nicht berührbar sind, auch wenn sie die Geschehnisse (teilweise) sehen können.

Das Aufwachen woanders kennen wir zwar, aber ich bin im ersten Moment normalerweise erstaunt und versuche die Situation analytisch zu erfassen und eben nicht panisch zu werden.

Sophie hat mich etwas amüsiert, weil wir einen Anteil haben, die wohl so ähnlich reagiert. Ich kenne sie aber nicht gut, deshalb kann ich dazu nicht sehr viel sagen. Nur, dass keiner von uns "als welche Person" fragen würde.
Es gibt auch keine "echte Person" und wenn ein Arzt so etwas behauptet würde ich mir Sorgen machen und woanders hingehen *:).
Unsere "Sophie" denkt glaube ich auch, dass sie die einzige ist, aber sie würde sich auch nicht als "echt" beschreiben.

Die Erzählung des Bruders hab ich nicht ganz verstanden, er sagt irgendwas von "mit dreizehn Jahren"... das wäre für die Entstehung von Dis zu spät...

Das mit den "Erinnerungen von anderen sehenW ist so eine Sache. Ich kann das teilweise, aber nur, weil ich dafür zuständig bin. Andere von uns können das, meines Wissens, nicht. Deshalb würde ich sagen, dass diese reibungslose Kommunikation untereinander "der sagt dem das und der dem das und so weiter" eher wünschenswert aber nicht realistisch ist.

Am Schluss wird in den Raum gestellt, dass der Beschützer nicht sprechen kann, weil er ein Beschützer ist? Vielleicht hab ich das auch falsch verstanden. Jedenfalls ist das so nicht richtig, auch wenn unsere beschützenden Anteile doch eher selten offensichtlich nach außen treten.

Liebe Grüße

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