Antworten von Betroffenen der dissoziativen Identitätsstruktur:
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Hallo Nauka,
ich erzähle Freunden nach einer Weile meist von der Diagnose, einfach weil es einiges einfacher macht. Allerdings kommt es nur bei sehr wenigen Menschen wirklich zu offensichtlichen Wechseln in z.B. Kindanteile. Meine Erfahrungen waren sehr unterschiedlich, eine Freundin kommt damit super klar und hat im laufe der Zeit auch die "anderen" kennen gelernt, eine andere Freundin möchte nur mit mir etwas zu tun haben.
Es dauert immer bis ich Menschen davon erzähle und es kommt sehr darauf in welchem Verhältnis ich zu den Menschen stehe. Nachbarn z.B. würde ich nichts davon sagen, weil ich sehr ländlich wohne und nicht möchte das alle wissen das ich eine DIS habe. Die Freunde die es wissen, denen vertraue ich, dass sie zumindest niemandem etwas sagen.
Die Frage für mich ob ich davon erzähle oder nicht ist immer, was möchte ich damit erreichen? Den Freunden denen ich davon erzählt habe, die kenne ich schon länger und mit denen mache ich häufiger etwas und die Wahrscheinlichkeit das mal etwas auffällt ist hoch. Deshalb wissen diese Freunde von der Diagnose, ich kann mich aber auf diese Menschen verlassen, sie erzählen niemandem von der Diagnose, so dass ich nicht fürchten muss, das alle in meinem Umfeld davon erfahren.
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nein. wir haben unseren Freunden die Diagnosen nicht gesagt,
wir haben viel zu viele schlechte Erfahrungen damit, aus der sogenannten "Fachwelt" bzw. von "Fachleuten, die uns angeblich helfen wollten";
Ignorieren waren da noch die harmlosesten Reaktionen ...
das hat bei uns massiv unsere eh kaum vorhandenen Ausdrucksmöglichkeiten noch massiv zerstört bzw. verschlechtert und das färbt natürlich auch ab, auf noch eventuell vorhandene Vertrauensfähigkeiten im Freundesbereich.
Was uns auch noch davon abhält, ist, daß über Dis und Traumata sehr viel ambivalentes, abwertendes und kontraproduktives oder gar kein Wissen dazu im Umlauf sind. Wenn sich Freunde dann erkundigen, was dis ist, entsteht dadurch noch zusätzliche Verwirrung.
Und wir haben auch Panik vor Fragen à la "warum hast Du das? was ist Dir denn passiert? ...
wir haben Panik vor Unterstellungen, Bemitleidung, vor Abwertung, vor Ignoranz, vor Überheblichkeit, vor Verleumdung, vor Abgestempelt-werden, vor Spott & Hohn, vor nicht-ernst genommen werden, ..........
Andererseits würde es schon manches erleichtern, wenns wir erzählen könnten,
es kostet irre viel Energie, das zu verstecken.
wir sind dran, mal abzuchecken, welche Haltung und Zugänge die jeweilige Person hat (das ist ja extrem unterschiedlich) und lassen die Themen (z.B. Folgen von extremem Streß, ...) mal theoretisch anklingen,
wenn wir dann mit den Ansichten & Reaktionen umgehen können & zurechtkommen,
dann trauen wir uns von unseren Symptomen zu erzählen ...
ist dann Resonanz, Wertschätzung, ... trauen wir uns ein wenig mehr zu erzählen ...
wenn uns das ein wenig besser gelingt, uns zu zeigen, wie wir sind (und wir fühlen uns sicher dabei);
dann ist es schon so, daß die jeweilige Freundschafts-Beziehung ein wenig tiefer, ein wenig einfacher, ein wenig weniger stressig-belastend geworden ist.
Desto mehr wir verstecken müssen, desto anstrengender sind Kontakte.
Aber wenn die Reaktionen uns mehr stressen als das Verstecken,
dann schweigen wir oder reduzieren Kontakte bzw. brechen die Kontakte ab.
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Hallo Nauka,
ich selbst habe nur einer Freundin und meiner Schwester von meiner DIS-Diagnose ezählt.
Der Freundin habe ich davon erzählt da sie, bevor ich selbst von der Diagnose wußte, viele seltsame und dramatische Situationen mit
mir erlebt hatte. Mein Wunsch war ihr eine Erklärung geben zu können, was da eigentlich passiert ist. Es ist zwischen uns kein großes Thema.
Das gibt dem Ganzen ein Stück "Normalität", die mir an dieser Stelle gut tut.
Meine Schwester weiß sehr viel über die DIS und ist bei diesem Thema meine Vertraute. Es ist gut für mich, dass ich so eine nahestehende Person habe, der ich damit voll und ganz vertrauen kann.
Ansonsten bin ich sehr zurückhaltend und vorsichtig. Ich sehe darin wenig Nutzen es weiteren Menschen zu erzählen.
Der Schutz meines Systems geht vor allem anderen. Ich weiß, dass auch die Innenanteile wenig Interesse haben, dass die
Situation nach Aussen gebracht wird. So besteht ein Einklang zwischen Innen und Außen- das schafft ein Gleichgewicht, eine Stabilität und ein Vertrauen, dass ich bewahre und stärke.
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Huhu Nauka,
für mich war es so, dass ich zu Beginn der Diagnose erstmal sehr viel Zeit brauchte um überhaupt selbst darüber nachdenken zu dürfen oder zu können. Der Austausch mit anderen die ähnliches erlerben, war sehr sehr wichtig für mich, weil es mich etwas geerdet hat, mich weniger ver-rückt vorkommen ließ, als ich mich immer fühlte. Jedoch hatte ich so gut wie nie Impulse, mit meinem Umfeld darüber zu reden, eben weil es fern von deren Realität war und ich den Nutzen für mich nicht sah.
Dort wo es auffällig war, ich mich sowieso nicht verstecken konnte (Partner), erzählte ich dann schon von der Diagnose, da es unmöglich ist, das im privaten Alltag auch noch zu verstecken. Man mußte ja mit uns leben und da gehört auch eine ehrliche Erklärung dazu. TherapeutIn (klar, weil Diagnose gestellt) und Hausarzt weiß davon und ich habe eine Freundin durch den Austausch mit Betroffenen kennengelernt, die weiß - klar - auch davon.
Ansprechen würde ich das nie und wenn es zu Irritationen kommt, erkläre ich das immer in ganz einfachen Worten und weit weg von dem, was die Diagnose mitsichbringt. Wie meine VorschreiberIn gesagt hat "Der Schutz meines Systems geht vor allem anderen." und das ist in meinem Fall auch so.
Ich schaue ganz genau, wo es angebracht und notwendig ist, darüber zu reden. Ich denke das machen alle Betroffene mit einer gesicherten Diagnose.
lg
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